Die Problematik bei Frauen ist sehr vielschichtig.
Beckenboden, Organe des Beckens und, ja, die Gesellschaft spielen zentrale Rollen.
Einerseits liegt es an anatomischen Gegebenheiten, dass der weibliche Beckenboden schneller mit "Problemen" zu tun hat, als vergleichsweise der männliche. Auch spielen Schwangerschaft(en), Geburt(en), Geburtsverletzungen, Hormonelle Veränderungen (z.B. Wechseljahre), Gewicht, das Bindegewebe, aber auch z.B. chronisches Husten eine wichtige Rolle bei der muskulären Situation.
Organverankerungen, besonders nach Schwangerschaft oder nach den Wechseljahren, aber auch nach z.B. Operationen, können an Halt verlieren und Vagina, Blase, Gebärmutter, Dick- und / oder Dünndarm können sich aus ihrer Position bewegen, sich senken oder sogar aus der Vagina oder dem After stülpen (Prolaps).
Beckenboden- und Organzustände werden natürlich noch von vielen weiteren Faktoren beeinflusst, als hier aufgezählt.
Wer mich bereits kennt weiß, dass ich bei diesem Thema brenne. Einerseits vor Begeisterung, andereseits vor Wut. Ich kann nicht anders, als hier ein paar Zeilen dazu zu schreiben. Denn letzendlich ist die Wut über diesen Zustand vor über 10 Jahren der Grund gewesen, weshalb ich mich auf diesen Bereich spezialisiert habe: Um Frauen zu supporten, aufzuklären und eine Hilfestellung zu bieten - denn trotz teilweise großem Leidensdruck erfahren sie genau das viel zu selten. Schlimmer noch, es wird ihnen das Gefühl gegeben ,,selbst schuld'' an der Misere zu sein.
Gesellschaftliche ,,Verhamlosung" von Organsenkungen sehe ich persönlich als ein großes Problem. So kommen viele Frauen sehr häufg erst spät zu einer Therapie - wenn es sich bereits zu einer schweren Form ausgeprägt hat, der Alltag eine Qual und der Leidensdruck immens geworden ist.
Einerseits, weil lange die bestehende Problematik zum ,,lästigen Übel" degradiert wird (leider sehr häufig auch von GynäkologInnen). Andererseits, weil es (noch?)
zu wenige SpezialistInnen auf dem Gebiet der urogynäkologischen Physiotherapie gibt.
Das Problem ist systemisch, es ist ,,anerzogen" worden. Die Frau hat sich nicht zu beschweren. Frauenprobleme sind unwichtig. Entsprechend dünn ist die Forschungslage sowie allgemeine, angemessene Therapieangebote.
Ein Beispiel:
Die wirklich problematische Rektusdiastase, welche funktionelle Probleme bereiten kann, wird als solches nicht gesehen sondern auf ein rein optisches Problem
degradiert - ,,Die Frau sieht halt noch schwanger aus". Folglich gibt es weder einen ICD10-Code (damit also keine Diagnose) noch evidenzbasierte Richtlinien zu deren Behandlung.
PhysiotherapeutInnen erfahren in ihrer Ausbildung viel zu wenig darüber. Frauen mit solch einer Problematik müssen eigenständig und lange suchen, bis sie einen Namen für ihr Problem gefunden
haben und noch länger, bis sie angemessene, therapeutische Hilfe finden.
Noch ein Beispiel:
Für jede verkalkte Sehne, für jede Gelenks-OP gibt es therapeutische Leitlinien. Dass die zentralste (!) Muskulatur des Körpers, der Beckenboden, teilweise schwerste Traumata unter einer Geburt erfährt, wurde bisher völlig ignoriert. Bis heute gibt es weder umfassende Standards noch Leitlinien, was die Versorgung von schweren Beckenbodenverletzungen und deren Anschlussbehandlung betrifft. Es ist lediglich eine kleine Nische an PhysioPelvica-TherapeutInnen, welche sich dieser Thematik widmet. Zwar findet langsam ein Wandel statt, doch die strukturelle Veränderung vieler festgefahrener Strukturen wird noch lange Zeit dauern.
Noch ein Beispiel:
Ich frage mich: wieso wird das Thema Levatoravulsion erst seit wenigen Jahren erforscht - betrifft es doch millionen von Frauen weltweit! Bereits bei den Kelten sowie im antiken Ägypten wurden Frauen mit Pessaren versorgt. Das Thema ,,Senkungen" ist doch wirklich alles andere als neu - wieso wurde diese Problematik nicht bereits schon früher erforscht und längst nach optimierten Lösungen gesucht?
Trotz bester Ausstattung stößt daher auch meine Arbeit manchmal auf Grenzen - was für mich als Therapeutin frustrierend ist - denn das wäre oftmals nicht nötig.
Die Liste ist lang. Ich höre nun lieber mal auf.
Der Weg zu einem aufgeklärteren, gesellschaftlichen Bewusstsein und dessen angepasste medizinisch-therapeutische Versorgung ist leider noch lang. Daher sehe ich es
als meine Aufgabe an, mit meinem Angebot genau dafür zu sorgen.
Falls es dich interessiert, hier liste ich die häufigsten Probleme der Frauen.
Vielleicht hilft es dir, dein Problem einzusortieren.
Stress- oder Belastungs-Inkontinenz
Hier kommt es durch einen erhöhten Druck im Bauchraum (=Stress) zu tröpfchenweisen, ungewollten Urinverlust beim Husten, Niesen und Lachen.
Diese Form der Inkontinenz ist am häufigsten vertreten und findet seine Ursache mitunter in der Anatomie des weiblichen Beckens.
Hier kann sehr zügig mit gezieltem Beckenboden-Training, Aufklärung und Beckenboden-freundlicher Alltagsgestaltung entgegengewirkt werden.
Die Drang- bzw. Urge-Inkontinenz
Sie stellt einen besonders großen Stressfaktor für die Betroffenen dar. Sobald ein Harndrang verspürt wird, ist es bereits zu spät.
Es kommt zur unmittelbaren, unkontrollierbaren, völligen Entleerung der Blase - egal, wo du dich gerade befindest.
Bei der leichteren Variante, der Drangsymptomatik, entsteht ein plötzliches, starkes Dranggefühl - eine Toilette oder ein geeigneter Ort kann jedoch (gerade noch so) aufgesucht werden. Dass beide Varianten eine große Belastung darstellen brauche ich sicher nicht weiter ausführen.
Die Ursache liegt nicht etwa, wie oft angenommen, an einem "schwachen" Beckenboden. Hier ist eine vollkommen andere Herangehensweise gefragt.
Eine undifferenzierte "Beckenbodenkräftigung" kann sogar kontraproduktiv sein!
Begebe dich bitte in professionelle Hände, wenn du unter solch einer Problematik leidest!
Misch- Inkontinenzen
beider Formen sind möglich und kommen häufig nach Spontangeburten vor.
Senkungen von Blase, Darm, Gebärmutter, Vagina, Harnröhre
Sind zunächst symptomlos. Werden sie ausgeprägter können sie sich durch ein Druckgefühl "nach unten" und einen tief sitzenden Rückenschmerz bemerkbar machen. Entleerungsstörungen (Harn und / oder Stuhl) sowie ein "Fremdkörpergefühl" ("da ist etwas in meiner Vagina, was da nicht hingehört") kommen bei ausgeprägteren Formen vor. In der schwersten Form stülpen sich die Organe über die Vagina oder den After nach außen.
Ja, entgegen vielen Gynäkolog*innen-Meinungen kann auch hier eine fachgerechte Physiotherapie dir präventiv und therapeutisch viel Lebensqualität (zurück)geben!
Geburtsverletzungen
Können vielfältig ausfallen. Von einer leichten Abschürfung bis hin zum Dammriss 4. Grades, bei dem der After-Schließmuskel sowie Schleimhaut des Enddarms verletzt sind. In Folge entsteht Narbengewebe, welches, je nach Heilung und bindegewebiger Beschaffenheit, Probleme bereiten kann. Engegefühl, Inkontinenz (Harn/ Winde/ Stuhl), Schmerzen beim Sport sowie beim Sex und beim Stuhlgang plagen dich in deinem Alltag.
Ja, auch hier kann dir eine fachgerechte Physiotherapie helfen - egal, wie lange die Geburt bereits her ist! Nach erheblichen Geburtsverletzungen sollte nicht allzu
lange bis zum ersten Beckenboden-Check gewartet werden, um frühstmöglich Stellschrauben für eine gute Rückbildung zu erkennen.
Schmerzen beim Sex nach Dammnaht (auch Jahre später)
Kann von einer nach Dammriss/- oder Schnitt kommen. Narbengewebe ist recht unelastisch kann sich zusätzlich verdicken.
Narben können gut behandelt werden - im Idealfall innerhalb des ersten Halbjahres nach ihrer Entstehung. Bis zu einem Jahr findet bindegewebiger Umbau statt - innerhalb dieser Zeit stehen die Chancen gut, das Gewebe relativ zügig positiv beeinflussen zu können.
Doch auch Jahre später ist das noch möglich. Dann erfodert es zwar mehr Geduld und Mitarbeit - aber es wird sich lohnen!
Hypertoner Beckenboden
Der Beckenboden hat zu viel Spannung. So kann es zu Blasen- und oder Stuhl-Entleerungsstörungen kommen, Schmerzen beim Sex, beim Einführen eines Tampons/ Menstruationstasse und sogar eine Urin-Inkontinenz hervorrufen.
Zu viel ,,Spannung" ist keinesfalls gleichzusetzen mit viel ,,Kraft" - im Gegenteil! Durch die Dauerkontraktion der Muskeln können diese bei (schnellen) Belastungen nicht adäquat reagieren und auch ihr volles Kraftpotential nicht ausschöpfen.
Ein Hypertoner Beckenboden kann nach einer Geburt, als Begleitsymptom anderer Erkrankungen, bei emotionaler Belastung oder auch nach falschem ,,Beckenboden-Training" auftreten.
CPPS - Chronisches Beckenschmerz-Syndrom
Eine besonders belastende Geschichte - nicht selten geprägt von jahrelangem Ärztehopping, da es keine Ursache für die Schmerzen zu geben scheint. Doch Fakt ist,
dass der Beckenboden einen entscheidenden Anteil an der Entstehung der Schmerzen trägt. Und hier kann viel Einfluss genommen werden - auf struktureller wie auch auf mentaler Ebene. Oft ist das
chronic-pelvic-pain-syndrom gekoppelt mit einem Hypertonus - welcher wiederum die Schmerzen verstärkt - welche wiederum zu Verkrampungen sorgen - welche wiederum Schmerzen verstärken... dieser
Kreis sollte durchbrochen werden.
Unkontrolliertes Verlieren von Darmwinden (ungewolltes Pupsen)
Die sogenannte ,,Windinkontinenz" ist bereits der erste Grad einer Stuhl-Inkontinenz. Auch hier ist gezieltes Beckenboden-Sphinkter-Training angebracht. Ursache
können z.B. Dammrisse 3. oder 4. Grades oder allgemeine postmenopausale Bindegewebsveränderungen oder auch eine sog. Rektozele sein.
Schmerzen am Steißbein
Diese können mehrere Ursachen haben. Als PhysioPelvica-Therapeutin ist es mir erlaubt, rektale Tastuntersuchungen durchzuführen. Oftmals kann eine Untersuchung
bereits mit einer manuellen Behandlung kombiniert werden. Für einige Anteile des Beckenbodens dient das Steißbein als wichtiger Ursprung. Ist z.B. eine
einseitige Überspannung der Muskulatur die Ursache, so kann diese manuell durchaus positiv beeinflusst werden. Schmerzen am Steißbein treten auch oftmals im Zusammenhang mit CPPS
auf.